ViaGogo: Keine Anwendung von EU-Recht (RL 2000/31 e-Commerce) auf Schweizer Plattformen
Verfasst am 03.08.2023
EuGH-Urteil vom 27.4.2023 – C-70/22
Von: Rechtsanwalt Lukas Fässler (Zusammenfassung aus dem Urteil, Erw. 24-31)
Von: Rechtsanwalt Lukas Fässler (Zusammenfassung aus dem Urteil, Erw. 24-31)
Damit der EuGH überhaupt ein Vorabentscheidungsverfahren durchführen kann, setzt dies voraus, dass die Bestimmungen des Unionsrechts, auf die sich das Ersuchen bezieht, auf diesen Rechtsstreit Anwendung finden.
Aus den Erwägungen
24 Hierzu ist als Erstes festzustellen, dass sich die drei Fragen des vorlegenden Gerichts auf die Auslegung der RL 2000/31 (eCommerce-Richtlinie) beziehen. Deren persönlicher Anwendungsbereich ist im Ausgangsrechtsstreit aber nicht eröffnet (behandelt) worden.
25 Die RL 2000/31 soll gemäss ihrem Art.1 nämlich einen Beitrag zum einwandfreiem Funktionieren des Binnenmarktes leisten, indem sie den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft «zwischen den Mitgliedstaaten» sicherstellt. Dies setzt daher für die Eröffnung des persönlichen Anwendungsbereichs der Richtlinie voraus, dass – wie in deren Art.3 Abs.1 ausgeführt – die Dienstleistungen, um die es geht, von Dienstanbietern erbracht werden, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats niedergelassen sind.
26 In Art.2 lit.c der Richtlinie wird ein «niedergelassener Dienstanbieter» insoweit als Anbieter definiert, der mittels einer festen Einrichtung auf unbestimmte Zeit eine Wirtschaftstätigkeit tatsächlich ausübt, wobei in der Bestimmung klargestellt wird, dass Vorhandensein und Nutzung technischer Mittel und Technologien, die zum Anbieten des Dienstes erforderlich sind, allein keine Niederlassung des Anbieters begründen.
27 Aus der Rechtsprechung ergibt sich hierzu, dass dem vorlegenden Gericht, da Art.3 Abs.1 und 2 der RL 2000/31 nur dann anwendbar ist, wenn der Mitgliedstaat feststeht, in dessen Gebiet der betreffende Anbieter des betreffenden Dienstes der Informationsgesellschaft tatsächlich niedergelassen ist, die Prüfung obliegt, ob der Dienstanbieter tatsächlich im Gebiet eines Mitgliedstaates niedergelassen ist. Ohne eine solche Niederlassung findet die Regelung von Art.3 Abs.2 dieser Riechtlinie keine Anwendung (Urt. v. 15.3.2012, G, C-292/10, EU:C:2012 142, Rn.71 und die dort angeführte Rechtsprechung).
28 Desgleichen bezieht sich das Verbot, den freien Verkehr der von der RL 200/31 behandelten Dienste aus Gründen einzuschränken, die in den koordinierten Bereich fallen, nach dem klaren Wortlaut von Art.3 Abs.2 der Richtlinie ausschliesslich auf solche Dienste «aus einem anderen Mitgliedstaat».
29 Der Gemeinsame Ausschuss des Europäischen Wirtschaftsaums (EWR) hat zwar in Anwendung des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsaum vom 2.5.1992 (ABI. 1944, L 1, S.3) mit dem Beschluss Nr. 91/2000 vom 27.10.2000 zur Änderung des Anhangs XI (Telekommunikationsdienste) des EWR-Abkommens (ABI. 2001, L 7. S.13) den Anwendungsbereich der RL 2000/31 auf den EWR erstreckt, so dass diese Richtlinie auch die Vertragsstaaten des Abkommens erfasst. Die Schweizerische Eidgenossenschaft gehört allerdings nicht zu Letzteren. Es wurde im Übrigen auch von dem in Anwendung des Abkommens EG-Schweiz eingerichteten Gemeinsamen Ausschuss EU-Schweiz keinerlei Entscheidung über eine Erstreckung der Anwendung der Richtlinie auf die Schweiz erlassen.
30 Viagogo ist aber unstreitig in Genf ansässig, hat dort ihren Sitz und dort – unabhängig von dem Umstand, dass sie ihre Websites in Versionen bereitstellt, die in verschiedenen Mitgliedstaatender Union, u.a. in Italien, zugänglich sind - den Schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit. Die Dienstleistungen, um die es geht, werden somit von einem Dirttstaat aus durch eine Gesellschaft erbracht, die dem Recht dieses Drittstaates unterliegt.
31 Folglich kann sich die Rechtsmittelführering des Ausgangsverfahrens entgegen der Annahme des vorlegenden Gerichts nicht auf die RL 2000/31 berufen. Da sich dessen sämtliche Fragen auf diese Richtlinie beziehen, leidet das Vorabentscheidungsersuchen insgesamt an einem Zulässigkeitsmangel.
Aus den Erwägungen
24 Hierzu ist als Erstes festzustellen, dass sich die drei Fragen des vorlegenden Gerichts auf die Auslegung der RL 2000/31 (eCommerce-Richtlinie) beziehen. Deren persönlicher Anwendungsbereich ist im Ausgangsrechtsstreit aber nicht eröffnet (behandelt) worden.
25 Die RL 2000/31 soll gemäss ihrem Art.1 nämlich einen Beitrag zum einwandfreiem Funktionieren des Binnenmarktes leisten, indem sie den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft «zwischen den Mitgliedstaaten» sicherstellt. Dies setzt daher für die Eröffnung des persönlichen Anwendungsbereichs der Richtlinie voraus, dass – wie in deren Art.3 Abs.1 ausgeführt – die Dienstleistungen, um die es geht, von Dienstanbietern erbracht werden, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats niedergelassen sind.
26 In Art.2 lit.c der Richtlinie wird ein «niedergelassener Dienstanbieter» insoweit als Anbieter definiert, der mittels einer festen Einrichtung auf unbestimmte Zeit eine Wirtschaftstätigkeit tatsächlich ausübt, wobei in der Bestimmung klargestellt wird, dass Vorhandensein und Nutzung technischer Mittel und Technologien, die zum Anbieten des Dienstes erforderlich sind, allein keine Niederlassung des Anbieters begründen.
27 Aus der Rechtsprechung ergibt sich hierzu, dass dem vorlegenden Gericht, da Art.3 Abs.1 und 2 der RL 2000/31 nur dann anwendbar ist, wenn der Mitgliedstaat feststeht, in dessen Gebiet der betreffende Anbieter des betreffenden Dienstes der Informationsgesellschaft tatsächlich niedergelassen ist, die Prüfung obliegt, ob der Dienstanbieter tatsächlich im Gebiet eines Mitgliedstaates niedergelassen ist. Ohne eine solche Niederlassung findet die Regelung von Art.3 Abs.2 dieser Riechtlinie keine Anwendung (Urt. v. 15.3.2012, G, C-292/10, EU:C:2012 142, Rn.71 und die dort angeführte Rechtsprechung).
28 Desgleichen bezieht sich das Verbot, den freien Verkehr der von der RL 200/31 behandelten Dienste aus Gründen einzuschränken, die in den koordinierten Bereich fallen, nach dem klaren Wortlaut von Art.3 Abs.2 der Richtlinie ausschliesslich auf solche Dienste «aus einem anderen Mitgliedstaat».
29 Der Gemeinsame Ausschuss des Europäischen Wirtschaftsaums (EWR) hat zwar in Anwendung des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsaum vom 2.5.1992 (ABI. 1944, L 1, S.3) mit dem Beschluss Nr. 91/2000 vom 27.10.2000 zur Änderung des Anhangs XI (Telekommunikationsdienste) des EWR-Abkommens (ABI. 2001, L 7. S.13) den Anwendungsbereich der RL 2000/31 auf den EWR erstreckt, so dass diese Richtlinie auch die Vertragsstaaten des Abkommens erfasst. Die Schweizerische Eidgenossenschaft gehört allerdings nicht zu Letzteren. Es wurde im Übrigen auch von dem in Anwendung des Abkommens EG-Schweiz eingerichteten Gemeinsamen Ausschuss EU-Schweiz keinerlei Entscheidung über eine Erstreckung der Anwendung der Richtlinie auf die Schweiz erlassen.
30 Viagogo ist aber unstreitig in Genf ansässig, hat dort ihren Sitz und dort – unabhängig von dem Umstand, dass sie ihre Websites in Versionen bereitstellt, die in verschiedenen Mitgliedstaatender Union, u.a. in Italien, zugänglich sind - den Schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit. Die Dienstleistungen, um die es geht, werden somit von einem Dirttstaat aus durch eine Gesellschaft erbracht, die dem Recht dieses Drittstaates unterliegt.
31 Folglich kann sich die Rechtsmittelführering des Ausgangsverfahrens entgegen der Annahme des vorlegenden Gerichts nicht auf die RL 2000/31 berufen. Da sich dessen sämtliche Fragen auf diese Richtlinie beziehen, leidet das Vorabentscheidungsersuchen insgesamt an einem Zulässigkeitsmangel.